
Hinterziehungszinsen: Eine oft unterschätzte Konsequenz der Steuerhinterziehung
Steuerhinterziehung kann schwerwiegende Folgen haben. Neben Geld- und Freiheitsstrafen kommen oft noch weitere finanzielle Belastungen hinzu – eine davon sind die sogenannten Hinterziehungszinsen. Doch was genau bedeutet das, und warum sind sie besonders brisant? In diesem Beitrag erfahren Sie, was Hinterziehungszinsen sind, wie sie berechnet werden und warum sie auch dann festgesetzt werden können, wenn das Strafverfahren eingestellt wird.
Was sind Hinterziehungszinsen?
Hinterziehungszinsen sind Zinsen, die das Finanzamt erhebt, wenn eine Steuerhinterziehung festgestellt wurde. Sie sollen den finanziellen Vorteil ausgleichen, den der Steuerpflichtige durch das Vorenthalten von Steuern hatte. Das bedeutet, dass unabhängig von einer strafrechtlichen Verurteilung das Finanzamt berechtigt ist, diese Zinsen festzusetzen.
Die rechtliche Grundlage für die Hinterziehungszinsen findet sich in § 235 der Abgabenordnung (AO). Danach werden sie grundsätzlich mit 6 % pro Jahr auf die hinterzogene Steuer berechnet – eine erhebliche Belastung, vor allem, wenn sich die Steuerhinterziehung über mehrere Jahre erstreckt hat.
Steuerhinterziehung: Mehr als nur Hinterziehungszinsen
Viele Betroffene unterschätzen zunächst die Tragweite eines Steuerhinterziehungsvorwurfs. Während die Hinterziehungszinsen eine zusätzliche finanzielle Belastung darstellen, sind sie nur ein Teil der Konsequenzen. Die Hauptrisiken sind:
- Geldstrafe: In vielen Fällen wird eine Steuerhinterziehung mit einer Geldstrafe geahndet. Deren Höhe richtet sich nach der hinterzogenen Summe sowie den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschuldigten.
- Freiheitsstrafe: In schwerwiegenderen Fällen droht eine Freiheitsstrafe, die unter Umständen noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Ab 1.000.000 Euro ist eine Bewährungsstrafe in der Regel nicht mehr möglich.
- Steuernachzahlung: Neben der Strafe selbst muss der hinterzogene Betrag selbstverständlich nachgezahlt werden.
Die Hinterziehungszinsen stellen somit nur eine von mehreren Belastungen dar, mit denen man im Falle einer aufgedeckten Steuerhinterziehung rechnen muss.
Wie werden Hinterziehungszinsen berechnet?
Die Berechnung der Hinterziehungszinsen erfolgt ab dem Zeitpunkt, zu dem die Steuer ursprünglich fällig gewesen wäre. Dabei gilt:
- Zinssatz: 6 % pro Jahr, also 0,5 % pro Monat.
- Beginn der Verzinsung: Ab dem ursprünglichen Fälligkeitsdatum der Steuer.
- Dauer: Bis zur vollständigen Zahlung der hinterzogenen Steuern.
Ein Beispiel zur Verdeutlichung:
Angenommen, jemand hat im Veranlagungsjahr 2018 eine Steuer in Höhe von 50.000 Euro hinterzogen, die 2019 hätte gezahlt werden müssen. Das Finanzamt entdeckt die Hinterziehung im Jahr 2024. In diesem Fall werden für fünf Jahre Zinsen in Höhe von 6 % pro Jahr berechnet:
50.000 Euro x 6 % x 5 Jahre = 15.000 Euro Hinterziehungszinsen
Diese Summe kommt zur Steuernachzahlung und eventuellen Strafzahlungen hinzu und kann die finanzielle Belastung erheblich vergrößern.
Hinterziehungszinsen auch bei eingestelltem Strafverfahren?
Ein häufig übersehener Punkt ist, dass Hinterziehungszinsen auch dann anfallen können, wenn das Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung eingestellt wird. Dies kann beispielsweise passieren, wenn die Hinterziehung zwar nachgewiesen, aber als geringfügig eingestuft wird oder wenn eine Verfahrenseinstellung gegen eine Geldauflage erfolgt.
Das bedeutet: Selbst wenn es keine strafrechtlichen Konsequenzen gibt, bleibt die finanzielle Belastung durch die Hinterziehungszinsen bestehen. Das Finanzamt ist unabhängig von der strafrechtlichen Verfolgung befugt, diese Zinsen festzusetzen.
Wie können sich Betroffene wehren?
Wenn ein Steuerhinterziehungsvorwurf im Raum steht, ist schnelles und überlegtes Handeln gefragt. Folgende Maßnahmen können helfen:
- Frühzeitige Beratung: Ein auf Steuerstrafrecht spezialisierter Anwalt oder Steuerberater kann eine individuelle Strategie entwickeln und Fehler in der Verteidigung vermeiden.
- Beweislast: Das Finanzamt muss beweisen, dass tatsächlich eine Steuerhinterziehung vorlag. Dies kann insbesondere, wenn das Steuerstrafverfahren eingestellt wurde, eine mühevolle Arbeit für das Finanzamt sein.
- Wie kann man sich wehren: Man kann Einspruch gegen den Bescheid einlegen, mit dem Hinterziehungszinsen festgesetzt wurden. Als Begründung kann angeführt werden, dass keine Steuerhinterziehung begangen wurde. Wenn das Finanzamt nach Durchführung des Einspruchsverfahrens auf den Hinterziehungszinsen beharrt, kann Klage beim Finanzgericht eingereicht werden.
Achtung: Wenn zuvor eine Selbstanzeige abgegeben wurde, die zur Straffreiheit führen soll, ist Voraussetzung, dass die hinterzogenen Steuern einschließlich Zinsen vollständig bezahlt werden. Zu den Zinsen gehören auch die Hinterziehungszinsen. Die Hinterziehungszinsen sollten in diesem Fall vorsorglich zunächst gezahlt werden, um die Straffreiheit nach der Selbstanzeige nicht zu gefährden. Die Frage, ob gegen die Festsetzung der Hinterziehungszinsen Einspruch und / oder Klage eingelegt wird, ist gesondert davon zu beurteilen.
Fazit: Professionelle Unterstützung ist entscheidend
Hinterziehungszinsen sind eine ernstzunehmende finanzielle Belastung, die oft unterschätzt wird. Sie stellen nur eine von vielen Konsequenzen dar, wenn eine Steuerhinterziehung aufgedeckt wird. Neben den Zinsen drohen Geld- und Freiheitsstrafen sowie hohe Nachzahlungen.
Gerade weil Hinterziehungszinsen auch dann festgesetzt werden können, wenn das Strafverfahren eingestellt wird, ist es wichtig, sich frühzeitig professionelle Unterstützung zu holen. Wenn Ihnen Steuerhinterziehung vorgeworfen wird, sollten Sie sich unbedingt an einen erfahrenen Steuerberater oder Steuerstrafverteidiger wenden.