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Abs. 6 trägt der zunehmenden Internationalisierung vor allem aber der europarechtlichen Harmonisierung von Zöllen, Verbrauchssteuern sowie der Umsatzsteuer Rechnung.
Einfuhr- und Ausfuhrabgaben bestimmen sich nach Art. 5 Nr. 20 und Nr. 21 des UZK. Sie sind gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Steuern i.S.d. AO.
Die Vorschrift – obschon bereits seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts existent – hatte zunächst keine praktische Bedeutung, da in der früheren Fassung ein Satz 3 vorgesehen war, der die Anwendung von einer Rechtsverordnung abhängig machte, die zum Inhalt hatte, dass hinsichtlich des strafrechtlichen Schutzes eine entsprechende gegenseitige Schutzvorschrift im anderen Mitgliedsstaat existierte. Da eine entsprechende Verordnung nie erlassen wurde, konnte Abs. 6 nicht zur Anwendung kommen.[1] Satz 3 mit dem Erfordernis der Verordnung über den gegenseitigen strafrechtlichen Schutz wurde jedoch mit dem Jahressteuergesetz 2010[2] mit Wirkung zum 14.10.2010 gestrichen.[3]
Für die Strafbarkeit als Steuerhinterziehung kommt es gemäß Abs. 6 Satz 1 nicht darauf an, ob diese Abgaben in Deutschland oder in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union verwaltet werden. Neben den Mitgliedsstaaten der EU werden auch Staaten erfasst, die eine Europäische Freihandelsassoziation einbezogen sind. Dies sind derzeit Norwegen, Island, Liechtenstein und die Schweiz. Gleiches gilt gemäß Satz 2 für die Umsatzsteuer und die harmonisierten Verbrauchssteuern. Dies allerdings nur für Mitgliedsstaaten der EU, da es über diesen Kreis hinaus keine harmonisierten Umsatzsteuer- und Verbrauchssteuerregelungen geben kann.
Die die maßgeblichen steuerrechtlichen Fragen nach der Entstehung der Abgabenschuld richten sich nach dem ausländischen Recht.[4] Gleiches gilt für die Berechnung des Hinterziehungsumfangs.[5]
Umstritten ist, ob eine Finanzbehörde im Sinne des Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 2 AO auch eine ausländische Finanzbehörde sein kann. Im Zusammenhang von Abs. 1 und Abs. 6 erscheint es nachvollziehbar, dass sich der Wille des Gesetzgebers darauf erstreckte, für Zweck des Abs. 6 auch ausländische Finanzbehörden als Finanzbehörden im Sinne des Abs. 1 zu definieren.[6]
Weiterhin kann im Einzelfall fraglich sein, ob die Bezugnahme auf die europäischen Richtlinien dem Bestimmtheitsgebot entspricht.[7] Der BGH nimmt dagegen an, dass dem Bestimmtheitsgebot selbst dann ausreichend Rechnung getragen ist, wenn das Tatbestandsmerkmal durch eine Rechtsvorschrift (in dem Fall die Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25.2.1992) konkretisiert wird, die nicht mehr in Kraft ist.[8]
[1] Heuel, Hinterziehung von Umsatzsteuer, 2021, S. 292
[2] BGBl. I 2010, S. 1768 <1793>
[3] Heuel, Hinterziehung von Umsatzsteuer, 2021, S. 292
[4] Grötsch in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 370 Rn. 62
[5] Heuel, Hinterziehung von Umsatzsteuer, 2021, S. 295
[6] Grötsch in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 370 Rn. 61, a.A. mit Hinweis auf die Wortlautgrenze: Schmitz/Wulf, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2023, § 370 AO Rn. 404
[7] Adick in: Adick/Bülte: Fiskalstrafrecht, 2. Aufl. 2019, S. 468
[8] BGH, Beschluss vom 20. November 2013 – 1 StR 544/13, NZWiSt 2014, 177 <178>, so im Ergebnis auch Cornelius, NZWiSt 2014, 173 <177> für den Fall, dass eine nicht direkt anwendbare Vorschrift (EU-Richtlinie) in Bezug genommen wird, anders offenbar für EU-Verordnungen, es in diesem Fall um echte Blankettregelungen gehe