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Veranlagungssteuern werden in Abgrenzung zu Anmeldungssteuern per Bescheid durch die Finanzbehörde festgesetzt. Veranlagungssteuern sind beispielsweise die Einkommensteuer, die Gewerbesteuer und die Körperschaftsteuer.
Die Hinterziehung von Veranlagungssteuern durch aktives Tun, also durch unrichtige oder unvollständige Angaben gegenüber dem Finanzamt, ist dann beendet, wenn ein entsprechender Steuerbescheid bekannt gegeben und die Steuer damit gemäß § 155 Abs. 1 AO festgesetzt wird.[1]
Ein Steuerbescheid gilt im Inland am vierten Tag nach Aufgabe zur Post bekannt gegeben, es sei denn, dass er tatsächlich zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO). Die Fiktion ist auch maßgeblicher Zeitpunkt für die strafrechtliche Tatbeendigung, ohne dass es auf einen ggf. tatsächlich früheren Zugangszeitpunkt ankommt.[2]
Soweit der Steuerbescheid einen Erstattungsanspruch festsetzt und die Erstattung zeitlich nach der Bekanntgabe des Steuerbescheides erfolgt, ist die Tat erst mit der Auszahlung des Erstattungsbetrags beendet.[3]
Handelt es sich bei dem jeweiligen Steuerbescheid um einen Feststellungsbescheid insbesondere im Sinne eines Grundlagenbescheides gemäß § 171 Abs. 10 AO (z.B.: Gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften bei Personengesellschaften) oder einen Gewerbesteuermessbescheid ist die Tat noch nicht mit der Bekanntgabe dieses Bescheides, sondern erst mit der Bekanntgabe des Folgebescheides, der die konkrete steuerliche Festsetzung beinhaltet, beendet. In den genannten Beispielen ist dies der auf die gesonderte und einheitliche Feststellung folgende Einkommensteuerbescheid für den Gesellschafter der Personengesellschaft[4] (wenn dieser eine natürliche Person ist) sowie der Gewerbesteuerbescheid der Gemeinde, der auf den Gewerbesteuermessbescheid des Finanzamts folgt.[5] In den Fällen der Personengesellschaft ist die Tat sogar erst dann beendet, wenn der letzte Feststellungsbeteiligte „seinen“ Folgebescheid erhalten hat.[6] Dies gilt auch dann, wenn man die genannten Grundlagenbescheide als Steuervorteil und damit als Taterfolg im Sinne des Abs. 1 begreift.[7]
Bei Gewerbesteuermessbescheiden kann sich etwas anderes ergeben, wenn diese auf 0 EUR lauten, da sich dann eine weitere Festsetzung per Gewerbesteuerbescheid erübrigt.[8]
Beim pflichtwidrigen Unterlassen von Angaben gegenüber dem Finanzamt gemäß Abs. 2 Nr. 2 kommt es mangels einer Steuerfestsetzung darauf an, ob ein Steuerbescheid ergeht oder nicht.
Wenn der Steuerpflichtige dem Finanzamt grundsätzlich bekannt ist und nur in einem bestimmten Jahr keine Steuererklärung abgegeben hat, erlässt das Finanzamt in vielen Fällen einen Schätzungsbescheid. Ist der Schätzungsbescheid der Höhe nach zutreffend oder setzt er eine höhere Steuer als die Soll-Steuer fest, bleibt es bei einer versuchten Steuerhinterziehung.[9] Wird im Schätzungsbescheid eine niedrigere Steuer als die Soll-Steuer festgesetzt, ist der Erfolg der Steuerhinterziehung eingetreten und die Tat ist vollendet. Der Beendigungszeitpunkt bestimmt sich wie unter a) ausgeführt nach der Bekanntgabe des Bescheides einschließlich der dort erläuterten Besonderheiten.
Erfolgt keine Festsetzung, so ist die Tat beendet, wenn die Veranlagungsarbeiten in dem zuständigen Finanzamt im Wesentlichen abgeschlossen sind, da spätestens zu diesem Zeitpunkt der Täter „seinen“ Steuerbescheid im Falle der pflichtgemäßen Abgabe einer Steuererklärung erhalten hätte.[10]
[1] Rolletschke, Steuerstrafrecht, 5. Aufl. 2021, S. 250; Ebner in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 376 Rn. 26
[2] BGH, Beschluss vom 07. August 2014- 1 StR 198/14, NZWiSt 2016, 63 m Anm. Rolletschke; Madauß, NZWiSt 2015, 141 <142>; Krumm, in: Tipke/Kruse Kommentar zur AO und FGO, 170. Lieferung 05.2022, § 376 Rn. 24; a.A. Wulf in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2023, § 376 Rn. 30
[3] Jäger, in: Klein, AO, 18. Aufl. 2024, § 376 Rn. 24; Rolletschke in: Rolletschke/Kemper/Roth, Steuerstrafrecht, 127. Lieferung 10.2024, §376 Rn. 27; Ebner in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 376 Rn. 29; a.A.: Wulf in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2023, § 376 Rn. 33
[4] BGH, Beschluss vom 11. Juli 2019 – 1 StR 154/19, NZWiSt 2020, 30 m Anm. Gehm
[5] Heerspink in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Stand: 01.01.2023, § 376 AO Rn. 77
[6] BGH, Beschluss vom 07. Februar 1984 – 3 StR 413/83, NStZ 1984, 414 m Anm. Streck; a.A.: Wulf in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2023, § 376 Rn. 36 (Beginn für jeden Gesellschafter gesondert mit dessen persönlichem Folgebescheid)
[7] Heerspink in: Kohlmann, Steuerstrafrecht, Stand: 01.04.2021, § 376 AO Rn. 73
[8] Ebner in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 376 Rn. 27
[9] Rolletschke in: Rolletschke/Kemper/Roth, Steuerstrafrecht, 127. Lieferung 10.2024, §376 Rn. 36,
[10] BGH, Beschluss vom 07. November 2001 – 5 StR 395/01, BGHSt 47, 138 <144 ff.>; Jäger, in: Klein, AO, 18. Aufl. 2024, § 376 Rn. 28; Ebner in: Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 376 Rn. 39