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Ein unmittelbares Ansetzen zur Tat liegt einerseits vor, wenn bereits ein Merkmal des objektiven Tatbestands verwirklicht wurde. Wenn dies nicht der Fall ist, liegt ein unmittelbares Ansetzen dann vor, wenn die Handlung des Täters der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals unmittelbar vorgelagert ist und diese bei ungestörter Fortsetzung in die Tatbestandshandlung einmündet, ohne dass es eines Zwischenaktes bedarf.[1]
Bei der Variante der Steuerhinterziehung durch aktives Tun (Abs. 1 Nr. 1) beginnt der Versuch frühestens mit der Einreichung der Steuererklärung.[2] Das Ausfüllen der Steuererklärung und erst recht die Vornahme unrichtiger Buchungen in der Finanzbuchhaltung oder das Erstellen falscher Jahresabschlüsse stellen straflose Vorbereitungshandlungen dar.[3] Gleiches gilt hinsichtlich Einkommensteuer- und Gewerbesteuererklärungen selbst dann, wenn die unrichtigen Angaben bereits Teil einer unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung geworden sind.[4]
In der Unterlassensvariante (Abs. 1 Nr. 2) liegt ein strafbarer Versuch ab dem Zeitpunkt vor, in dem die Frist zur Abgabe der Steuererklärung abläuft.[5] Eine spezielle und praxisrelevante Frage stellt sich im Zusammenhang mit der längeren gesetzlichen Frist zur Abgabe von bestimmten Steuererklärungen bei Beauftragung eines Steuerberaters (oder einer anderen zur Hilfeleistung in Steuersachen befugten Person im Sinne der §§ 3, 4 StBerG) gemäß § 149 Abs. 3 AO. Ist der Auftrag bereits erteilt, bevor die allgemeine Frist des § 149 Abs. 2 AO abgelaufen ist, ist die längere Frist des § 149 Abs. 3 AO auch für den Versuchsbeginn maßgeblich. Wird der Auftrag erst nach Ablauf der allgemeinen Frist des § 149 Abs. 2 AO erteilt, kann dies die bereits eingetretene Versuchsstrafbarkeit nicht mehr rückwirkend aus der Welt schaffen.[6]
[1] Fischer, StGB, 71. Aufl. 2024, § 22 Rn. 9 f.
[2] Jäger, in: Klein, AO, 18. Aufl. 2024, § 370 Rn. 194
[3] Peters in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung, 253. Lieferung, 07.2019, § 370 Rn. 507, Jäger, in: Klein, AO, 18. Aufl. 2024, § 370 Rn. 193
[4] Jäger, in: Klein, AO, 18. Aufl. 2024, § 370 Rn. 194, a.A. BGH, Beschluss vom 22.03.1979 – 4 StR 641/78, BeckRS 31122068 (Hinsichtlich der bereits eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen lag in dem entschiedenen Fall bereits eine vollendete Steuerhinterziehung vor.)
[5] BGH, Beschluss vom 12. Juni 2013 – 1 StR 6/13, NZWiSt, 478 <478 f.>
[6] BGH, Beschluss vom 12. Juni 2013 – 1 StR 6/13, NZWiSt, 478 <479.>, a.A. Schmidt in: FS Kohlmann, 2003, S. 517 <528>; für Besteuerungszeiträume, die nach dem 31.12.2017 beginnen allerdings nunmehr auf die bereits erfolgte Beauftragung abstellend: Schmitz/Wulf, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2023, § 370 AO Rn. 499