Voraussichtliche Lesezeit: 1 Min. zu lesen
Gemäß § 369 Abs. 2 AO i.V.m. § 15 StGB ist nur die vorsätzliche Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO strafbar, da es an einer Anordnung der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit fehlt. Bei leichtfertiger Begehung der Tathandlungen des Abs. 1 kommt eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit gemäß § 378 AO in Betracht.
Weitere subjektive Elemente neben dem Vorsatz enthält der Tatbestand der Steuerhinterziehung nicht.
Die vorsätzliche Begehung einer Straftat beinhaltet die wissentliche und willentliche Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale. Nach der Rechtsprechung gehört dazu auch die Kenntnis des Steueranspruchs dem Grunde und der Höhe nach (Steueranspruchstheorie).[1]
Bedingter Vorsatz ist dabei ausreichend. Es genügt also, dass der Täter den Steueranspruch für möglich hält und die Verkürzung billigend in Kauf nimmt.[2] Hier entstehen (nicht nur im Steuerstrafrecht) immer wieder Abgrenzungsschwierigkeiten zur bewussten Fahrlässigkeit.[3]
Die Kenntnis der einschlägigen steuerrechtlichen Normen selbst und eine entsprechende Subsumtion ist für die Annahme des Vorsatzes nicht erforderlich. Es genügt die „Parallelwertung in der Laiensphäre“[4].
Die Auswirkungen eines Irrtums über den Steueranspruch und über den Bestand und das Ausmaß der Mitwirkungspflichten hängen davon ab, ob diese als Tatumstandsirrtum (§ 16 Abs. 1 StGB) oder Verbotsirrtum (§ 17 Satz 1 StGB) zu qualifizieren sind.
Wie bereits dargelegt erfolgt diese Einstufung bei der Steuerhinterziehung nicht allein danach, ob es sich bei § 370 um einen Blanketttatbestand[5] oder um eine Regelung mit normativen Tatbestandsmerkmalen handelt.
Im Ergebnis kommen beide Auffassungen daher im Hinblick auf die Vorsatzproblematik dazu, dass ein Irrtum über die steuerrechtlichen Voraussetzungen für die Steuerverkürzung und / oder die Pflichtwidrigkeit einer unterlassenen oder unrichtigen Steuererklärung einen Tatbestandsirrtum i.S.d. § 16 Abs. 1 StGB darstellen, so dass der Vorsatz in solchen Fällen entfällt.[6]
Gleichwohl soll ein Verbotsirrtum auch bei Irrtümern im Steuerstrafrecht vorkommen können, wenn beispielsweise ein Steuerpflichtiger zwar wusste, dass er umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielt hat, aber trotzdem annahm, dass er keine Umsatzsteuervoranmeldung abzugeben brauche.[7]
[1] So z.B. BGH, Beschluss vom 13. März 2019 – 1 StR 520/18, NZWiSt 2019, 343 <345>, Jäger, in: Klein, AO, 18. Aufl. 2024, § 370 Rn. 171 mwN
[2] BGH, Beschluss vom 01. April 2020 – 1 StR 5/20, NStZ 2021, 301
[3] Schott, in: Hüls/Reichling, Steuerstrafrecht, 3. Aufl. 2024, § 370 Rn. 284
[4] Jäger, in: Klein, AO, 18. Aufl. 2024, § 370 Rn. 172
[5] Bzw. blankettartigen Tatbestand
[6] A.A. Schmitz/Wulf, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Auflage 2023, § 370 AO Rn. 417 ff. für die das Merkmal der „Pflichtwidrigkeit“ als echtes Blankettmerkmal und der daraus folgenden Anwendung des § 17 StGB; für die „Steuerverkürzung“ und den „ungerechtfertigten Steuervorteil“ aber unter Annahme von normativen Tatbestandsmerkmalen für die Anwendung des § 16 StGB (Rn. 415 f.)
[7] Jäger, in: Klein, AO, 18. Aufl. 2024, § 370 Rn. 182, was aus meiner Sicht aber auf eine Trennung der Irrtumsrechtsfolgen nach den Merkmalen Steuerverkürzung und Steuervorteil auf der einen Seite und Pflichtwidrigkeit auf der anderen Seite hinausliefe